Nazi-Rock oder Freizeitspaß?

2. Oktober 2014 | Aktionen

Dieser Frage widmete sich im Schweinfurter Stattbahnhof Matthias Burgard, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Mainz. Der kurz bevorstehende Auftritt der norwegischen Black-Metal-Band Taake in der Stadthalle hat das Anti-Nazi-Bündnis `Schweinfurt ist bunt` bewogen den Experten Burgard einzuladen. Burgard selbst darf getrost als Kenner der Szene bezeichnet werden.

Jahrelang unterwegs als Drummer einer Death-Metal-Band hatte der studierte Kulturanthropologe die Nase voll, bei Auftritten mit anderen Metal-Bands immer häufiger auf Nazis und rechtsradikale Musiker zu treffen und beendete seine Bandtätigkeit. Schloss sich jedoch der Initiative „Metal-Fans gegen Nazis“ an, die aktiv recherchieren, um Bands wie `Taake` zu demaskieren. Beim Vortrag des Mainzers wird schnell klar, dass es ihm nicht um eine generelle Verurteilung der Black-Metal-Szene oder deren Zugehörigkeit zum rechtsradikalen Spektrum geht. Burgard argumentiert differenziert und schlüssig.

Er beginnt mit einer Beschreibung der Black-Metal-Szene, die mehr sei als nur Musik. Die Szene verstehe sich als unpolitisch, großzügig, satanistisch, nicht kommerziell. Sie pflegt ein Außenseiterimage. Aufgrund der Großzügigkeit gebe es wenig Abgrenzung innerhalb der Szene. Auch wenig Abgrenzung zu rechtsradikalen Bands wie Fans. Diese fehlende Abgrenzung wiederum führe zu Verquickungen bei Konzerten, wo die Nazi-Szene offen auftreten könne. Es entstehe eine Grauzone aus rassistischem Liedgut, dem geduldeten zur Schau stellen von Nazisymbolen und unpolitischen Musikkonsumenten, die ihr Lebensgefühl feiern. Eben diese Grauzone schaffe Akzeptanz.

Die norwegische Band ´Taake` (Nebel) ordnet Burgard zweifellos dem Spektrum zu, das als rechtsradikal gelte, oder zumindest als Brückenglied in den Rechtsradikalismus fungiere. Bandgründer ist der Norweger Ørjan Stedjeberg, Künstlername Hoest, geboren 1977. Songs wie „Rassenkrieg“ aus den Anfangsjahren hätten möglicherweise noch als „Jugendsünden“ eingestuft werden können. Der Auftritt von Hoest als Taake-Frontmann mit beim Essener Skandalkonzert im Jahr 2007 nicht mehr. Als Hoest dort mit einem aufgemalten Hakenkreuz auf der Brust auftrat, war der Sänger 29 Jahre alt und zuvor bereits dreimal wegen Gewaltdelikten eingesessen. Das Konzert wurde vom Veranstalter nach etwa 50 Minuten abgebrochen. Anschließend hatte es Taake schwer. Konzerte wurden reihenweise von Veranstaltern abgesagt, so beispielsweise Auftritte beim Ragnarök-Festival, dem Partysan-Open-Air und weitere in Österreich und der Schweiz. Aufgrund dieser Probleme sah Hoest es an der Zeit sich vom Nazi-Image zu distanzieren. Ein daraufhin erschienenes Interview im unkritischen Bertelsmann-Blatt „Metal-Hammer“ 2008 sorgte für Rehabilitation. Im Interview gab Hoest an, niemals etwas mit Rechtsradikalismus zu tun gewesen zu haben. Das verwendete Foto zeigte den Taake-Sänger auf einer grünen Wiese vor seinem Haus in Norwegen ein Kaninchen streichelnd.

Für Burgard wenig glaubwürdig. Denn sowohl vor, als auch nach dem Interview sang Hoest auch für andere Bands, deren rechtsradikale Einstellung unschwer an den rassistischen und islamfeindlichen Texten erkennbar wären. Auf der illustren Liste stehen u.a. Urgenal, Meads of Asphodel und Slavia. Das Album „Strengh and Vision“ (2007) von letzterer Band beginnt z.B. mit der Sportpalastrede von Joseph Goebbels (Wollt ihr den totalen Krieg?) als Liedeinstieg. 2010 tourte Taake mit den rechtsradikalen Bands Horna und Anantyr. Auch Taake blieb rassistischen und islamfeindlichen Texten treu. Im Jahr des Breivik-Attentats, das in Norwegen 77 Menschen das Leben kostete, textet Taake im Song Orkan. „Zur Hölle mit Mohammed und den Mohammedanern mit ihren unverzeihlichen Sitten“ und weiter „Norwegen erwache, Norwegen wird erwachen“. Viele Beispiele, die für den Experten Burgard klar belegten, dass die Distanzierung von Hoest und Taake nichts weiteres war als ein Lippenbekenntnis, um den eigenen kommerziellen Erfolg nicht weiter zu gefährden.

Nachdem Matthias Burgard von den gut zwei Dutzend, vorwiegend jungen Zuhörern mit kräftigem Applaus bedacht wurde, ergab sich eine lebhafte Diskussion vor allem um die Frage, wie es denn möglich sei, dass Taake in der Stadthalle Schweinfurt spielen könne und die Stadt nur zuschaue. Bündnissprecher und Stadtrat Frank Firsching machte die fehlende Sensibilität der Stadt und die weitgehend unprofessionelle Vermarktung der Stadthalle durch den Betreiber der Stadthalle, dem Arbeitsförderungszentrum (afz) verantwortlich. Das könne sich künftig nur ändern, wenn sich der politische Wille durchsetze, derartige Veranstaltungen in Schweinfurt nicht haben zu wollen.